Text von Cornelia Hellstern
Drei Graphitlinien, zwei Buntstiftlinien. Gerade, geschwungen. Beinahe fliegend bewegen sie sich über das Blatt,
scheinen von irgendwoher zu kommen, und sind in ihrer Position dabei jedoch spürbar eindeutig fixiert. Obgleich das zugrundeliegende Ordnungsprinzip nicht sichtbar, nicht greifbar ist, so ist ihr
innerer Zusammenhang wahrnehmbar, eine Änderung ihrer Ordnung nicht in Frage gestellt.
Eigenständig und doch in ein System eingebunden, verweisen Veronika Rodenbergs Linien in den Zeichnungen der Werkgruppe »aus Alles ist Zahl« auf das Gesamte. Ihre
Kompositionen sind nicht zufällig entstanden, sondern folgen dem ihnen innewohnenden System. Sie sind Ausschnitte aus einer Schichtung aus Ziffern. Eingeschrieben in ein Quadrat, normierte
Zeichen, übereinander liegend. Dabei ist die Zahl nicht nur ein geometrisches Zeichen.
Zehn Ziffern als die Basis unseres Zahlenuniversums, mit dem wir mathematisch operieren, werten, definieren, beschreiben. »Alles, was wir wahrnehmen, lässt sich benennen, und somit auch beziffern.«
Während die Linien uns in der Betrachtung verorten lassen, offenbart sich der Raum, den sie in ihrer Anordnung zeichnen. Es ist der Negativraum der Zahlen, der außerhalb und zwischen ihnen durch ihre Komprimierung entsteht. Und der uns als Betrachtende in seiner Offenheit und Durchlässigkeit den Eintritt in diese Ganzheit erlaubt.
Die Reduktion auf die wenigen, sichtbaren Fragmente reicht aus, um das Gesamte zu erspüren. Denn nichts steht für sich. Alles steht in Bezug zueinander.